Pharmazie

Kurzlebenslauf

Muhlack G
Dr. Dana Clarissa Laetsch, geb. Muhlack, Apothekerin
Abteilung für Klinische Epidemiologie und Alternsforschung
Deutsches Krebsforschungszentrum

Im Neuenheimer Feld 581
69120 Heidelberg

Tel: +49 (0)6221 42 1354
d.muhlack(at)dkfz-heidelberg.de

2. Affiliation: Netzwerk AlternsfoRschung, Fellow: PD Dr. Ben Schöttker

Potentiell inadäquate Medikamente für ältere Erwachsene – Risikofaktoren und Zusammenhänge mit der Gebrechlichkeit und Mortalität (Zusammenfassung der Doktorarbeit)

Potenziell inadäquate Medikamente sind Arzneimittel, die aufgrund eines vermutlich negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses bei älteren Erwachsenen vermieden werden sollten. Ihr Einfluss auf klinische Ereignisse ist jedoch unklar. Ein Ziel der Dissertation war es, eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse prospektiver und retrospektiver Kohortenstudien durchzuführen, die über den Zusammenhang potenziell inadäquater Medikamente mit Mortalität sowie kardiovaskulären Ereignissen berichteten. In einer eigenen Datenanalyse untersuchte ich anschließend ihren Zusammenhang mit Gebrechlichkeit. Darüber hinaus evaluierte ich, wie sich ihre Prävalenz über einen Zeitraum von 6 Jahren änderte und identifizierte die Determinanten für die bestehende und die zukünftige Einnahme. Ein Schwerpunkt lag dabei auf dem Einfluss geriatrischer Syndrome.

Durch eine Suche in den Datenbanken MEDLINE und Web of Science wurden relevante Studien für den systematischen Review identifiziert. Die Meta-analysen wurden mittels Random Effects-Modellen erstellt. Dreizehn Studien konnten zunächst einbezogen werden. Der Zusammenhang von potenziell inadäquaten Medikamenten und der Gesamtmortalität war statistisch nicht signifikant (Relatives Risiko [95% Konfidenzintervall]: 1,13 [0,95-1,35]). Die Mehrheit der Studien wies jedoch ein hohes Risiko für einen bestimmten Bias auf, der durch ein New User Design vermieden werden kann. Es stellt sicher, dass auch Nebenwirkungen, die zu Beginn der Arzneimitteltherapie auftreten, erfasst werden. Nachdem die Meta-Analyse auf drei Studien mit New User Design beschränkt wurde, war der Zusammenhang zwischen dem Einsatz potenziell inadäquater Medikamente und Mortalität statistisch signifikant (1,59 [1,45-1,75]). Alle drei Studien untersuchten eine Version der Beers-Kriterien. Nur eine Studie untersuchte kardiovaskuläre Ereignisse (allerdings ohne New User Design), fand aber keinen statistisch signifikanten Zusammenhang. Weitere Studien mit New User Design, die den Einfluss verschiedener Kriterien auf die Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse beleuchten, sind nötig.

Für meine eigenen Analysen verwendete ich die Daten der ESTHER-Studienkohorte mit 2878 über 60-Jährigen aus der deutschen Allgemeinbevölkerung und einer Nachbeobachtungszeit von Oktober 2008 bis September 2016. Potenziell inadäquate Medikamente wurden mit der PRISCUS-Liste, der EU(7)-PIM-Liste und den Beers-Kriterien von 2015 definiert. Ihre Prävalenz lag zu Beginn der Studie bei 13,7 %, 37,4 % und 26,4 % und sank 6 Jahre später auf 12,3 %, 36,5 % und 23,1 %. Die unbereinigte Prävalenz war bei Teilnehmern mit geriatrischem Syndrom etwa doppelt so hoch wie bei robusten älteren Erwachsenen. Determinanten der Nutzung potenziell inadäquater Medikamente wurden in Querschnittsanalysen mit multivariablen logistischen Regressionsmodellen und longitudinal mit gewichteten Generalized Estimating Equations identifiziert. In den Querschnittsanalysen war kognitive Beeinträchtigung statistisch signifikant mit der Einnahme potenziell inadäquater Medikamente aller drei Kriterien assoziiert (Odds Ratio: 1,90 bis 2,21); jedoch nicht in den longitudinalen Modellen. Im Gegensatz dazu waren Gebrechlichkeit, Komorbidität und funktionelle Beeinträchtigung in beiden Modellen statistisch signifikant mit der Einnahme potenziell inadäquater Medikamente mindestens einer der drei Listen assoziiert. Die Zusammenhänge variierten jedoch für die verschiedenen Kriterien. In der Längsschnittanalyse waren sie nur für Wirkstoffe der Beers-Kriterien statistisch signifikant (Odds Ratio [95% Konfidenzintervall]: Gebrechlichkeit (2,23 [1,15-4,31]), Komorbidität pro 5 Scorepunkte (1,21 [1,05-1,38]) und funktionelle Beeinträchtigung (1,51 [1,00-2,27])). Andere statistisch signifikante Faktoren für die Einnahme potenziell inadäquater Medikamente waren weibliches Geschlecht, Alter, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Biomarker des metabolischen Syndroms, Magengeschwüre, depressive Episoden, Hüftfrakturen und Krebs. Alles in allem hatten ältere Erwachsene mit Komorbiditäten, kognitiver und funktioneller Beeinträchtigung, und gebrechliche Erwachsene ein höheres Risiko, potenziell inadäquate Medikamente einzunehmen oder künftig zu erhalten.

In Propensity Score-adjustierten Regressionsmodellen wurden Zusammenhänge zwischen der Einnahme potenziell inadäquater Medikamente und der Prävalenz sowie der Inzidenz von Gebrechlichkeit in der ESTHER-Studie untersucht. Die Gebrechlichkeit der Teilnehmer wurde mit Hilfe der Fried Kriterien bewertet. Bei Studienbeginn waren 261 Teilnehmer gebrechlich. 423 wurden in den 6 Jahren der Nachbeobachtung gebrechlich. Nur die Verwendung von Medikamenten, die laut Beers-Kriterien bei kognitiv beeinträchtigten Patienten vermieden werden sollten (Anticholinergika, Benzodiazepine, Z-Substanzen, Antipsychotika), war statistisch signifikant mit prävalenter Gebrechlichkeit assoziiert (1,51 [1,04-2,17]). Die Stärke des Zusammenhangs war für alle Komponenten der Fried Kriterien vergleichbar. Auch in den Längsschnittanalysen waren nur die genannten Medikamente mit inzidenter Gebrechlichkeit assoziiert, wenn auch nicht statistisch signifikant (Hazard Ratio [95% Konfidenzintervall]: 1,19 [0,84-1,68]). Der Zusammenhang von potenziell inadäquaten Medikamenten und Gebrechlichkeit scheint sich auf Wirkstoffe zu beschränken, die Symptome der Gebrechlichkeit hervorrufen können.

Ausgehend von den Erkenntnissen meiner systematischen Übersichtsarbeit und den Ergebnissen meiner Originaldatenanalysen empfehle ich Ärzten, potenziell inadäquate Medikamente nach Möglichkeit zu vermeiden, und besonders aufmerksam bei der Verschreibung neuer Medikamente für Patienten mit geriatrischen Syndromen, Depression, Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit, metabolischem Syndrom oder Magenulkus zu sein. Alle aufgeführten Zustände wurden in meinen Analysen als Risikofaktoren für den (zukünftigen) Gebrauch potenziell inadäquater Medikamente identifiziert. Werden Anticholinergika, Benzodiazepine, Z-Substanzen oder Antipsychotika verschrieben, sollte zudem die Gebrechlichkeit des Patienten regelmäßig untersucht werden. Bei negativer Leistungsänderung sollte eine Änderung der Medikation in Betracht gezogen werden. 

 

Publikationen

  • Muhlack DC, Hoppe LK, Saum KU, Haefeli WE, Brenner H, Schöttker B. Investigation of a possible association of potentially inappropriate medication for older adults and frailty in a prospective cohort study from Germany. Age Ageing 2019;49(1):20-5.
  • Muhlack DC, Hoppe LK, Stock C, Haefeli WE, Brenner H, Schöttker B. The associations of geriatric syndromes and other patient characteristics with the current and future use of potentially inappropriate medications in a large cohort study. Eur J Clin Pharmacol 2018;74(12):1633-1644.
  • Muhlack DC, Hoppe LK, Weberpals J, Brenner H, Schöttker B. Association of potentially inappropriate medication at older age with cardiovascular events and overall mortality: a systematic review and meta-analysis of cohort studies. J Am Med Dir Assoc. 2017;18(3):211-220.

 

Kurzlebenslauf

2007-2012    Studium der Pharmazie an der Carolo-Wilhelmina Universität Braunschweig
2012-2013 Praktisches Jahr
12/2013 Approbation zur Apothekerin
2014-2015 Projektmitarbeiterin beim Arzneimittelberatungsdienst der Klinischen Pharmakologie an der TU Dresden
02/2016-01/2019   Doktorandin am Netzwerk Alternsforschung (NAR), Universität Heidelberg
kutsubinas: E-Mail
Letzte Änderung: 21.09.2021
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